Schaurig gutes Design in einer Designagentur.
Gibt es einen richtigen und einen falschen Weg, sich inspirieren zu lassen? Ist man als Grafikerin fehl am Platz, wenn die neuste temporäre Kunstausstellung im Museum für Gestaltung keine aufgeregte Pulsveränderung auslöst und das Herz in Flammen setzt?Diese Frage kann ich nach mehreren Gesprächen und meiner eigenen Einschätzung klar mit «Nein» beantworten. Inspiration beschaffen sich Kreativpersönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Manche machen lange Spaziergänge oder abonnieren verschiedene Newsletter, um immer auf dem neusten Stand zu bleiben. Wieder andere trainieren ihre Kreativmuskeln eben beim Museumsbesuch oder lassen sich abends vom heissen Duschdampf in eine andere Ideensphäre leiten. Person A braucht laute Musik auf den Kopfhörern, während für Person B nur komplette Stille den Fluss der Kreativität zum Fliessen bringt.
Eine meiner persönlichen Inspirationsquellen mag für einige vielleicht etwas unkonventionell klingen. Trotzdem möchte ich versuchen, euch einen Einblick zu geben. Also schnappt euch das Popcorn und die schützende Kuscheldecke und kommt mit auf die Reise ins Filmeland.
Geistreiche Impulse
Die Filmindustrie hat wortwörtlich ganze Welten an Inspiration zu bieten, was narratives, aber auch visuelles Storytelling anbelangt. Ganz besonders angetan hat es mir jedoch ein spezifisches Filmgenre, was (meiner Meinung nach ungerechtfertigt) oft schon im Voraus als oberflächlich, klischeebehaftet und uninspiriert abgestempelt wird: das Horrorgenre. Die Gründe dafür? Verrate ich euch gerne.
#1 Mehr als nur Jumpscare
Jumpscare bezeichnet den Moment, wenn man sich wegen einer Szene so sehr erschrickt, dass man wortwörtlich vom Sitz hochspringt. Das körperliche Phänomen ist ein Überbleibsel aus der Evolution, ein instinktiver Schutzreflex vor unerwarteten Gefahren. Die wenigsten mögen das Gefühl, das ein Jumpscare in ihnen auslöst. Trotzdem kann sich Design – oder Kommunikation generell – Teile davon in einer abgewandelten Form einsetzen. Was schockiert oder besonders überrascht, bleibt oft auch länger im Gedächnis.
Die Filmreihe «Paranormal Activity» dient als gutes Beispiel dafür, wie prägend dieses Stilmittel ist. In ihr stellen die Darsteller im ganzen Haus Überwachungskameras auf, um schaurige Geisteraktivitäten aufzuzeichnen. Sehr viele ikonische Jumpscares sind daraus entstanden.
Warum nicht mal mutig sein und sich den Schockfaktor im Kreativjob zunutze machen? Damit es bei der nächsten Kampagne nicht heisst: «Aus den Augen, aus dem Sinn.»
#2 Vom Spannungsbogen zerlegt
Gut Ding will Weile haben. Darum bringt man den «Big reveal» der Geschichte nicht in den ersten fünf Minuten, sondern führt das Publikum langsam an das Ziel heran. Horrorfilme nehmen sich häufig dafür die sogenannte Erwartungshaltung zur Hilfe. Im Kontrast zum Jumpscare wird hier eher damit gespielt, was NICHT passiert. Einfach, aber effektiv erlebbar im Kult-Horrorfilm «Lake Mungo». Der Geisterfilm zeigt kontinuierlich sehr schlecht aufgelöste Bilder von Wohnräumen. In jedem verschwommenen Fleck auf dem Bildschirm ist mit etwas Fantasie ein Geist erkennbar, obwohl da gar nichts ist. Überraschend gruselig!
Auch in der Gestaltung lässt sich das umsetzen. Zum Beispiel mit einem Element, das aus der Reihe tanzt. Einer erzählenden Bewegtkampagne mit einer riesigen unerwarteten Wendung kurz vor dem Ende. Einer Frage, die nicht eindeutig beantwortet wird und zum Nachdenken auffordert. Nehmt nicht jedesmal den direktesten Weg von A nach B – immer nur «form follows function» kann einschränkend sein.
#3 Schaurige, fantastische Tiefen der Vorstellungskraft
Zombies, Vampire und andere Wesen sind zwar meistens nicht schön anzuschauen, aber eines muss man ihnen lassen: Ihre Formen sind vielfältig und absolut kreativ. Von H.R. Gigers Xenomorph aus der Alien-Serie bis zum heimtückisch niedlichen Furby-Abklatsch aus «Gremlins». Manche Filmemacher lassen sich auch von Folklore inspirieren und geben ihren eigenen visuellen Twist mit. Hinter dem Aussehen der Monster verstecken sich teilweise Details, die auf ihre Hintergründe anspielen. Wie zum Beispiel das Monster in «The Babadook», dessen Form eine Repräsentation der im Film behandelten Themen wie Trauer, Verlust und Wahnsinn ist.
Meine Lektion, die ich daraus ziehe: Was sich der Kopf vorstellen kann, lässt sich aufs Papier bringen. Dabei lasse ich meiner Vorstellungskraft freien Lauf. Überrascht mich das Ergebnis selbst, ist die Chance auf einen ähnlichen Effekt bei denen gross, für die ich mich ins Dunkel meiner Fantasie begeben habe.