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Textkompetenz
 
05.02.2025
Knowhow

Texte auf dem Prüfstand.

Mehr Energie durch bewussten Verzicht. Diese Kurzformel des Dry January gilt auch für die Kommunikation im Marketing: Besser schreiben durch konsequente Reduktion. Dry Vocabulary, sozusagen. Als neugierige Textprofis fragen wir: Wie entschlackt man Dialogmassnahmen?

«Bitte entschuldige den langen Brief. Für einen kurzen hatte ich keine Zeit.» So oder ähnlich haben es Winston Churchill, Bill Clinton und weitere Vielschreibende auf den Punkt gebracht: Damit der rote Faden in einem Text zum Vorschein kommen kann, braucht es aufwendige Arbeit mit Radiergummi oder Backshift-Taste. «Kill your darlings» lautet die Devise: unbarmherzig überflüssige Lieblingspassagen löschen. Was beim Vermitteln der Idee nicht hilft, verwirrende Nebenhandlungen aufmacht oder dem Verständnis im Wege steht, muss weg. 

 

Empfehlung #1: Lösche grosszügig.

Am besten gibst du eine Kopie deines Textes jemandem, der nicht genau weiss, um was es geht. Ohne Briefing, Erklärung oder sonstige Hintergründe. Einfach mit der Aufforderung, alles zu streichen, was überflüssig scheint. Dann nochmals anschauen und mit dem Feinschliff beginnen. Disclaimer: Es wird Tränen wegen erbarmungsloser Streichungen geben. 

 

Empfehlung #2: Verliere das Ziel nicht aus den Augen.

Stell dir einen Rettungsschwimmer vor, der einem Ertrinkenden die überlebenswichtige Boje zuwirft mit den Worten «Halt dich fest! Hebe die Hand, wenn du Hilfe brauchst! Zeige mit beiden Daumen nach unten, wenn du erschöpft bist!». Ein Text, der sich widersprechende, zusammenhangslose oder nicht zu priorisierende Handlungen auslöst, kann nicht funktionieren. Entscheide dich.

 

Empfehlung #3: Nimm dir Zeit.

Ein leerer Bildschirm verführt leicht dazu, einfach loszutexten. Du weisst ja ungefähr, was du sagen möchtest. Genauso fällt der so entstandene Text häufig aus. Überlege zuerst, wie du die Geschichte erzählen möchtest. Was ist der Aufhänger, wie gestaltest du den roten Faden, welche Botschaften gehören in welchen Abschnitt? Wie gewinnst du die Aufmerksamkeit und was führt zum Ziel? Dazu nimmst du zum Start einen Stift, eine neue Seite im Notizbuch und etwas Zeit – nein, etwas mehr Zeit – und schreibst erstmal: Nichts. Knete Ideen, Gedanken und Formulierungen im Kopf, entwickle und wiederhole eine Abfolge von Sätzen so lange, bis du das Gefühl hast, es passt. Schreib es auf. Dann gehe zurück zur Empfehlung #1.

Empfehlung #4: Mach es dir einmal nicht bequem.

Dein Lieblingsplatz, perfekte Beleuchtung, optimale Tageszeit, ein frischer Kaffee – ja, Schreiben hat viel mit Routine zu tun. Es geht jetzt nur darum, Worte aneinander zu reihen. Das vertraute Setting ist enorm hilfreich, wenn du an einem Roman oder Drehbuch sitzt. Bei kompakteren Texten oder auf der Suche nach überraschenden Ideen: Bring dich einmal mit Absicht aus der gewohnten Balance. Das löscht deinen Zwischenspeicher mit den Schreibautomatismen. Texte gegen die Uhr. Schon mal auf einer englischen Tastatur mit QWERTY-Layout getippt? Oder verzichte komplett auf den Buchstaben ‘T’. Erinnere dich, wie das war, als du mal in England mit einem rechtsgesteuerten Auto fahren musstest, natürlich mit Handschaltung. Kurz: Sorge dafür, dass dein Gehirn es nicht zu leicht hat. 

Empfehlung #5: Sei ehrlich zu dir.

Würdest du selbst dein gerade verfasstes E-Mail als Zielperson öffnen, wenn es im Posteingang aufblinkt? Deinen eigenen LinkedIn-Beitrag bis zum weiterführenden Link lesen und den noch anklicken? Hast du konsequent einen Bogen um bequeme Floskeln gemacht? Würdest du (natürlich ohne dein Vorwissen aus zahlreichen Meetings, Präsentationen und Analysen) sofort den entscheidenden Vorteil des neuen Produktes oder der neuen Dienstleistung begreifen? Glückwunsch! Ansonsten: Bitte starte nochmals bei #1.

 

Extratipp: Höre zu.

Bitte die, mit denen du kommunizierst, um ehrliches Feedback. Lieber eine Antwort, die unbequeme Fragen stellt, als eine kommentarlose 3-Sternebewertung. Denn nur letztere hilft dir nicht, besser zu werden.

 

Komplexe Dinge übersichtlicher gestalten – dabei hilft auch eine Technik namens «Chunking». Mit praktischen Beispielen häppchenweise präsentiert in Episode #10 unseres Podcasts «In A Nutshell»