Nudging im Dialogmarketing – ein Elevator Pitch.
Unser Podcast «In a Nudgeshell» hat grossen Anklang gefunden und viele Marketing-Fachleute neu auf das Thema Nudging gebracht. Reinhören auf Spotify oder Apple Podcast lohnt sich. Für die eher Kurzangebundenen hier ein Einstieg – Nudging for Beginners sozusagen. Und wie wir es primär im Dialogmarketing einsetzen.Ganz einfach: Mit Nudging werden Entscheide durch gezielte Anreize gesteuert. Die Methode wurde ursprünglich in der Verhaltensökonomie entwickelt. Daneben hat sie sich im digitalen Marketing – insbesondere im Dialogmarketing – bewährt. Ob bei der Optimierung von Öffnungs- oder Klickraten, Newsletter-Abschlüssen oder den Umsätzen im Webshop: Die Wahl der passenden Nudges (deutsch «Schubser») lenkt als Baustein einer gezielten Ansprache mit intuitiv erfassbaren Vorteilen zur gewünschten Entscheidung.
Wir können rund um die Uhr beinahe alles finden, mit nur einem Klick kaufen und uns bequem nach Hause schicken lassen. Dennoch werden gemäss aktueller Studien rund 70% aller Online-Käufe abgebrochen. Häufig wegen unerwarteter Versandkosten, komplizierter Checkout-Prozesse oder fehlendem Vertrauen bei der Dateneingabe oder der Bezahlung. Mit Nudges lassen sich solche neuralgischen Punkte im digitalen Marketing gezielt entschärfen. Sie erzeugen effizienter Interesse für unser Angebot. Und der Weg durch den Entscheidungsdschungel wird klarer und erfolgreicher – vorbei an Unsicherheiten, Ablenkungen oder fehlender Orientierung.
Bauch vs. Hirn
Mit Mr. Spock und Homer Simpson haben Richard Thaler und Cass Sunstein 2008 im Buch «Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstösst» die Grundlagen ihrer Überlegungen über Entscheidungsarchitektur und die Nudge-Theorie veranschaulicht: Wir verfügen über zwei unterschiedliche Systeme, um Entscheidungen zu fällen: Das automatische und schnelle System 1 ist ein unreflektierter Macher, ähnlich dem infantilen Familienvater aus Springfield. Es ermöglicht uns hunderte alltäglicher Handlungen, vom Tritt auf die Bremse beim roten Ampelsignal bis zum mühelosen Sprechen in unserer Muttersprache.
Komplexere Entscheidungen dagegen, wie eine massgeschneiderte Anlagestrategie oder die Suche nach dem perfekten Menu im Restaurant, sind die Domäne von Mr. Spock und unserem System 2: Mit Logik und Erfahrung wägt es Dutzende von Parametern sorgsam gegeneinander ab. Dieses Verfahren aber ist aufwendig, langsam und dadurch stresserzeugend. Deshalb meldet sich der bequeme Homer in uns mit schnellen Lösungen, die weniger Aufwand und Stress versprechen.
Ein kleiner Schubs spart Zeit und Mühe
Diese Tendenz, bei der Entscheidungsfindung energiesparende Abkürzungen zu suchen, nutzen Nudges gezielt aus: Wird uns für eine eigentlich komplexe Aufgabe eine mühelose Lösung mittels System 1 angedeutet, kann das unsere Entscheidung erleichtern. Beispiel gefällig? Eine Steigerung der Angebotsvielfalt – beispielsweise in einem Webshop – generiert zwar mehr Interesse, senkt aber wegen zunehmender Komplexität die Kaufwahrscheinlichkeit.
Die überraschende Lösung dieses Problems verspricht ein Nudge namens «Hobson +1». Er basiert auf der minimalen Auswahl mit nur einer Option («Genau das oder nichts«). Eine derart limitierte Entscheidungsmöglichkeit ist aber in Zeiten permanent und überall verfügbarer Angebotsvielfalt kaum zielführend. Statt den Kaufabschluss also auf eine Ja/Nein-Auswahl zu verengen, erzeugt eine zweite, anders formulierte Handlungsaufforderung mit gleicher oder ähnlicher Wirkung den Eindruck einer Wahlmöglichkeit. Das macht den Kaufabbruch weniger wahrscheinlich. Jedem von uns ist dieser Nudge schon einmal begegnet. Schauen Sie einfach einmal nach, wie viele Buttons neben jedem der Millionen Artikel im weltgrössten Webshop zu finden sind. Zwar wissen wir nicht, welchen Effekt ein zweiter Button bei genau diesem Anbieter hatte – ein europäischer Elektronikanbieter steigerte seinen Online-Umsatz dadurch immerhin um 16%.
Freundliche Bitten mit messbarem Effekt
Zufriedene Kund:innen sind authentische und darum sehr begehrte Markenbotschafter zur Gewinnung von Neukundschaft. Häufig wird dafür die Teilnahme an einem Gewinnspiel als Belohnung eingesetzt. Französische Wissenschaftler haben untersucht, wie sich der Erfolg dieses erprobten Mechanismus verbessern lässt. Personen, die bei einem Anbieter von Extremsport-Artikeln eingekauft hatten, erhielten eine Mail mit der Bitte um Weiterempfehlung. Im Gegenzug wurden Geschenkgutscheine verlost.
Die Nachricht an die erste Gruppe enthielt keine weiteren Zusätze. In einer zweiten Gruppe war der Mechanismus gekoppelt mit der Aufforderung, sich für den Newsletter anzumelden, bei Gruppe drei kam zusätzlich noch die Teilnahme an einer kurzen Online-Umfrage dazu. Die Ergebnisse der Studie verblüffen: Obwohl der Aufwand von Gruppe zu Gruppe stieg, war die Erfolgsrate in der ersten Gruppe mit 3.5% am niedrigsten. In Gruppe zwei stieg sie auf 6% und in der dritten, bei der die Verlosungsteilnahme mit dem höchsten Aufwand verbunden war, sogar auf rund 10%.
Ein Erklärungsversuch für diese nicht intuitive Steigerung kann unser Bedürfnis nach konsistentem Verhalten sein. Die Verhaltenspsychologie fasst dieses Phänomen mit dem Begriff «Commitment and Consistency» zusammen: Wenn wir eine Entscheidung für ein Produkt oder eine Marke getroffen haben, versuchen wir nach Möglichkeit im Einklang damit zu bleiben und entsprechend zu handeln. Wir treffen also wahrscheinlicher Entscheidungen, die nicht im Widerspruch stehen zur bereits erfolgten Wahl. Dieser Wunsch macht uns offensichtlich empfänglich für eine Bitte, die in Zusammenhang mit unserer Entscheidung steht. Jeder Schritt im Dialog mit einer Marke stärkt offenbar die Bindung und unsere Bereitschaft, uns konsistent zu verhalten. Auch wenn das mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Die Herausforderung für eine Marke beim Einsatz dieses Nudges besteht dabei unter anderem darin, im Dialog als authentisch und schlüssig empfunden zu werden.
Einfach mehr hören
Komplexe Entscheidungen vereinfachen – darum geht es bei der Nutzung von Nudges im Dialogmarketing. Die Beschäftigung mit ihnen schärft das Verständnis davon, wie wir zu einer Auswahl gelangen und was uns gegebenenfalls davon abhält. In unserem Podcast «In A Nudgeshell» betrachten wir einige dieser hilfreichen Schubser und erläutern ihren praxiserprobten Einsatz in der Kommunikation vor dem Hintergrund von Informationsflut und sinkenden Aufmerksamkeitspannen.
Schon gehört? Unser hauseigener Podcast «In a Nudgeshell».