Nudging richtig eingesetzt im Marketing.
Auf die riesige Joghurt-Auswahl hat uns die Evolution nicht vorbereitet. Also greifen wir intuitiv zum Gewohnten. Mit Unbekanntem konfrontiert, versuchen wir, analytisch das aus wirklich jedem Blickwinkel Beste für uns zu finden. Das lähmt, verunsichert und macht uns unzufrieden. Manchmal hilft ein zweites Pferd gegen Entscheidungsblockaden.Thomas Hobson war es leid. In seinem Stall beim St. Catherine’s College in Cambrige standen 40 Pferde zur Auswahl. Aber wenn Professoren oder Studenten von der Universität kamen, um sich eines auszuleihen, fiel die Wahl stets auf eines der schnellsten. Hobsons beste Pferde waren deshalb permanent überarbeitet und die weniger schnellen kaum nachgefragt.
Seine einfache Lösung ist als «Hobson’s choice» im Englischen sprichwörtlich geworden: Zur Miete stand nur noch ein jeweils per Rotationsverfahren festgelegtes, neben der Stalltür angebundenes Pferd bereit. Entweder das oder keines. Funktioniert, solange man wie Hobson über ein konkurrenzloses Angebot verfügt: Sein Mietstall war damals der einzige in ganz Cambridge.
«Ich schau mich nur ein wenig um»
Vierhundert Jahre später ist die Situation etwas komplexer. Genauer gesagt: paradoxer. Als «Paradox of choice» – zu deutsch etwa «Auswahlparadox» – bezeichnet man die Tatsache, dass durch ein grösseres Angebot zwar das Interesse an unseren Produkten steigt, die Zahl der Verkäufe aber eher abnimmt. Warum?
Je mehr wir vergleichen, desto attraktiver scheinen die zahllosen Alternativen. Gleichzeitig steigen unsere Erwartungen an die Auswahl, wenn wir sie denn getroffen haben. Das, was wir uns mühevoll ausgesucht haben, muss viel besser sein, wenn die Auswahl sehr gross war. Quasi als Belohnung für den Aufwand. Eine Erwartung, die höchstwahrscheinlich enttäuscht wird.
«Deins sieht aber leckerer aus»
Schaffen wir es trotz des Überangebots, eine Entscheidung zu treffen, sind wir damit weniger zufrieden als mit einer Entscheidung bei weniger oder gar keinen Optionen. Denn möglicherweise wäre eine der vielen Alternativen besser gewesen als die, für die man sich entscheiden hat. Bei weniger oder keinen Alternativen ist unsere Wahl sicher die Bestmögliche.
Am besten funktioniert das, wenn es um Produkte geht, die man eher braucht als sich gönnt: Ein schlicht weisses Verlängerungskabel kauft man ganz einfach, auch wenn man keine Auswahl hat. Einen Diamantring eher nicht.
«Gibt’s eine Alternative dazu?»
Was also würde Thomas Hobson mit dem heutigen Überangebot tun? Schliesslich müsste er den (geschäftsschädigenden) Stress all derer mindern, die sich nicht für eines seiner 40 Pferde entscheiden können. Mit dem kategorischen «Das oder keines» könnte er sie aber mit einem Mausklick zur Konkurrenz vergraulen. Die einfache Lösung? Einfach anstatt nur ein Pferd deren zwei neben der Stalltür festbinden. Das zeigt uns: Wir haben die freie Wahl, und es treibt uns nicht durch eine alternativlose Ja/Nein-Entscheidung in die Enge – oder gar zum Kaufabbruch.
Diese Variante nennen Verhaltensökonomen in der Nudging-Theorie «Hobson +1». Wie effizient dies offensichtlich gegen die menschliche Entscheidungslähmung funktioniert, können Sie sich leicht vorstellen: Schauen Sie mal auf der Website des erfolgreichsten Onlinehändlers der Welt nach, wie viele Buttons es neben jedem der 229 Millionen Artikel gibt. Genau.
Und was heisst das jetzt?
Nudges wie den oben skizzierten «Hobson +1» setzen wir in unserer konzeptionellen und kreativen Arbeit ein. Wir verstehen sie nicht als IFTTT-Automatismen, sondern als wertvolle Modelle, wie Menschen Entscheidungen treffen und was sie möglicherweise davon abhält. So genutzt, zahlt die kreative Verwendung von Nudges ideal auf unsere Sichtweise des Dialogmarketings ein und hilft, unsere Kommunikation überraschender, klarer und letztlich erfolgreicher zu machen.