«Das ist keine Dystopie. Es ist die Welt, in der wir leben. Heute. Und vielleicht auch morgen.»
Brainfuck. Wortwörtlich. Eines dieser wenigen Bücher, die dich verfolgen werden. Jedes Mal, wenn du deine Kreditkarte hervornimmst. Wenn du durch die von Ohrstöpseln und Kopfhörern durchsäten Strassen gedrückt wirst. Wenn du irgendwo zwischen Halbschlaf und Traum verweilst. Ist das, was Sibylle Berg mir zeigen wollte?
In GRM kommt die Autorin ganz ohne Neologismen und neue Erfindungen aus. Alles, was sie beschreibt, haben wir schon in irgendeiner Werbung gesehen. Kennen wir bereits aus den Nachrichten. Wer sowas wie Zeit hat, hat es einmal irgendwo gelesen. Und trotzdem kommt uns diese Welt, die in bekannten Städten stattfindet, so unbekannt vor. Auf den ersten Blick.
«Rochdale war eine sehr gerechte Stadt, die überall gleich beschissen aussah.»
Sibylle Berg nimmt uns mit in eine Gesellschaftsschicht, die wir längst aus unserer Realität gelöscht haben. Unsere Realität? Wir, die uns ein Buch leisten. Wir, die noch lesen. Wir, die leben. Don, Karen, Hannah und Peter existieren nicht mal richtig. Nicht für ihre Familie. Nicht für die Politik. Nicht für das System. Und je länger du dich in GRM verlierst, wirst du merken: Der Brexit ist vollzogen, die englische Wirtschaft in der Hand chinesischer Firmen, Polizei und Militär privatisiert. Ist das so weit weg?
Alles in diesem Buch, das bei dir «Was zur…» auslöst, verwandelt sich. Früher oder später in «Oh Shit». Und dann setzt eben diese Reflexion ein. Deine Realität vs. GRM. Schliesslich der actual Brainfuck: Deine Realität = GRM. Das ist kein Spoiler. Ich kenne dein Leben nicht. Aber Sibylle Berg kennt es. Dein Leben heute. Dein Leben morgen. Deine Moral aus der Geschichte wird eine andere sein als meine.
«Apropos, es gibt keine Vögel mehr. Entweder sind alle vor Langeweile gestorben. Oder...»
Anmerkung: Der Schreibstil, der Rhythmus, die Zeichensetzung sind revolutionär und lassen die nächsten Bücher auf deiner Liste höchstwahrscheinlich dilettantisch erscheinen. GRM ist Literaturgeschichte. Das kann man jetzt schon sagen.